Sagen und Mythen
Wolfgang Meyer
Donnerskirchen ist geographisch und landschaftlich eingefangen vom Höhenzug des Leithagebirges und vom Neusiedler See mit seinem Schilfgürtel, es wird geprägt vom breiten Uferstreifen und dem sanft ansteigenden Hang zum Ortsraum selbst und damit zum Fuße des Hügelzuges, es wird geprägt von der bewundernswerten Fernsicht hinüber zum Seewinkel und zum Rosaliengebirge. Es wird aber auch dominiert von den markant und tief eingeschnittenen Gräben, die ins Leithagebirge hineinführen und das Ortsbild mitgestalten, und von den herausragenden geologischen und historischen "Höhepunkten" überstrahlt, dem Kirchenberg, dem Schönleitenberg und dem Ehrenfeld.
Gleichzeitig öffnet sich im Ortsbereich die Wulkaniederung in ihrer Einmündung in den Neusiedler See und gibt die Verbindung frei in Richtung Schützen am Gebirge und Eisenstadt, immer dem Fuße des Leithagebirges folgend, während der See und der Schilfgürtel abweichen und dem sanft ansteigenden Ruster Hügelzug Raum geben.
Diese vielgefächerte Landschaft, gestaltet von der geologischen Grundlage, geformt durch die Kraft der Erosion, der Naturgewalten und auch durch die Kraft der Menschenhände, der Hände unserer Vorfahren und Urahnen, gibt der bunten Sagenwelt eine entsprechende Umgebung und einen vielschichtigen Hintergrund.
Donnerskirchen befindet sich nicht nur im Einzugs- und Durchgangsbereich der sog. Bernsteinstraße, es liegt im unmittelbaren Nahbereich der Verbindungsstraßen Eisenstadt - Neusiedl am See und Ödenburg/Sopron - Neusiedl am See und bewacht die Zugänge und Übergänge über das Leithagebirge nach dem nahen Niederösterreich. Dadurch nimmt Donnerskirchen teil am Geschehen in der "großen Welt", damit kommt es allerdings auch mit dem Getriebe dieser "großen Welt" und den kriegerischen und politischen Auseinandersetzungen in Berührung. Und all dies findet seinen Widerhall in der Sagenwelt dieses Raumes.
Die Vielschichtigkeiten und kleinräumige Gliederungen der Geologie, der Bodenverhältnisse, der Pflanzendecke und der landwirtschaftlichen Kulturlandschaft finden ihr Gegenstück oder ihre Entsprechung in den thematischen Zuordnungen der Sagen, wobei Überschneidungen und Parallelitäten zwangsläufig gegeben sind. Zunächst finden wir, sofort ins Auge springend, den großen Komplex der historischen Sagen, oder besser ausgedrückt, der Sagen mit historischem Inhalt oder Hintergrund (Leisserhof, Türken-Annerl, Bildstöcke und Flurdenkmale). In diese Gruppe spielt aber zugleich der Themenkreis um die Erklärung von Naturereignissen, Naturerscheinungen und merkwürdigen Bodenformen hinein (Türken- Annerl, Hölzelstein, Neusiedlersee, Grabhügel), aber auch Naturgeister finden ihre Basis im geschichtlichen Hintergrund (Leseähnl). Breiten Raum nimmt der Sagenbereich um Naturgeister ein, die dazu ausersehen sind, die Ernte vor Frevel zu schützen, Wald und Flur, Schilfgürtel und See, das Gebirge und die Quellen zu behüten, wozu sie es nicht nur bei gutartigen Mitteln und Zusprüchen bewenden lassen, sondern des Öfteren zu drastischen und ab schreckenden Mitteln greifen, sodass sie letztlich in einer vordergründigen charakterlichen Beurteilung oftmals mit negativen Vorzeichen behaftet sind (Klage, Kornmanderl, Schilfmanderl, Leseähnl, Berimanderl, Rainmanderl, Feldmanderl). Im Nahbereich dieser "Figuren" bewegen sich, allerdings auf einer anderen Ebene, die Seejungfrauen, Wassermänner, der oder das "Tschankerl"; noch um eine Dimension verändert und verschoben kann hier die Naturerscheinung der wandelbaren Schlange eingeordnet werden (Krönlnatter, Schlangenkönigin). Der Teufel und die mit ihm in näherer Beziehung stehenden Hexen bilden einen wesentlichen Bestandteil der Sagenkultur in unserem Raum, wobei damit häufig Verbindungen zu augenfälligen Bodenformen hergestellt werden (Hölzelstein, Teufelsjoch).
Sagen haben das soziale Gefälle zwischen den höher stehenden, "reicheren" Gesellschaftsschichten gegenüber den Bauern, Handwerkern und "Dienenden" genauso zum Inhalt, wie die oft ausgleichende Gerechtigkeit durch Bestrafung des Unterdrückers, Frevlers und Tunichtgutes, oder sie gibt Trost und spendet Hoffnung und ist damit ein Ventil für auftretende soziale Konfliktsituationen (Armut, Krankheit, Missernte, Unglück). Die Sage hat eine kommunikative, erzieherische und erklärende Funktion und ist durch die Einbindung von Geschichte, Natur, Pflanzen- und Tierwelt inhaltlich ortsgebunden, wenn manche oder eigentlich viele Inhalte mehreren Orten oder Landstrichen zuzuordnen sind oder geographisch größere Zusammenhänge erfassen.
Historische Sage - Entstehung des Leithagebirges
DER FLUCH GOTTES
Vor vielen, vielen hundert Jahren, da war die Gegend, in der sich heute das Leithagebirge erhebt, flach wie ein Nudelbrett. Wo heute Felder sind, gab es auch damals grüne Felder, die schönes Getreide trugen. Sie gehörten dem Riesen Arnulf, der sich am Rande seiner Felder eine Erdhöhle gebaut hatte, in der er seine reichen Vorräte barg, damit niemand seine Ersparnisse sah. In dieser Höhle schlief er auch, damit ihm niemand etwas wegnehmen konnte. Arnulf war sehr geizig. Kam einmal ein armer Wanderer und bat ihn um ein Stückchen Brot, jagte er ihn mit Drohungen fort, ohne ihm auch nur einen Bissen zu geben.
Der liebe Gott, der alles sieht, was auf Erden vorgeht, sah das Treiben Arnulfs. Er schickte zum schlafenden Arnulf seinen Traumengel, um den Riesen von seinen wenig gottgefälligen Handlungen abzubringen. Arnulf achtete nicht darauf, was ihm der Traumengel im Schlafe sagte. Da war der liebe Gott böse auf Arnulf, nahm ein Bettlergewand und einen Bettlerstab, stieg auf die Erde nieder und kam nachts vor die Höhle des schlafenden Riesen. Bescheiden klopfte er an das Höhlentor. Arnulf stand unwillig auf, um zu sehen, wer in der Mitternachtsstunde etwas von ihm wolle. Als er den in einen Bettler verkleideten Herrn der Welt an der Tür sah, fragte er ihn böse, was er wolle. Der Bettler zog demütig sein Käppchen und bat, auf den wolkenschweren Himmel weisend, um ein Obdach und um ein Stückchen Brot: "Scher dich zum Teufel", schrie Arnulf, "arbeite, dann brauchst du nicht zu betteln." "Ich wandre", sagte der Herr. "Bleib daheim", antwortete Arnulf, "dann musst du nicht zur Nachtzeit andere Leute um Brot anfechten." Der Herr entgegnete: ,,Bedenke Arnulf, was du tust. Es regnet, Arnulf, gib mir Obdach für eine Nacht." Der Riese rührte sich nicht. Wieder bat der Herr: "Mich hungert, Arnulf, gib mir etwas zu essen, ich will es dir lohnen." Hohnvoll lachte der Riese: "Du, ein Bettler?" "Höhne nicht, Arnulf", entgegnete der Herr, ,,gib mir von deinem Überfluss und ich will ihn dir verdoppeln." "Ich habe keinen, mir ist alles knapp", schrie der Riese und riss die Tür auf. ,,Hier schenke ich dir etwas, was ich noch geben kann", brüllte er, füllte seine Hand mit Erde und drückte sie dem Herrn in die bittend erhobene Rechte.
Der Bettler wuchs ins Ungeheure; aus seinen Augen schossen Blitze, und seine furchtbare Stimme ertönte: "Erleide den Tod der Darbenden, du Ebenbild des Geizes. Die Tränen, die ich um deine Seele weinte, sollen ein Wasser bilden und wenn der See, der so entsteht, austrocknet, dann will ich deine Seele bei mir sehen. Schaue ich noch einen Flecken auf ihr, dann soll sich der See füllen, um langsam wieder auszutrocknen. Er soll erst wieder bleibendes Land sein, bis deine Seele rein und flecken los vor mir steht. Das Brot, das du in deiner Höhle birgst, soll zu Stein werden und als Stein den hungernden Menschen zu Brot verhelfen."
Der Fuß des Herrn stieß den Riesen in seine Höhle zurück. Gott verschüttete den Eingang zur Höhle mit einem Fußtritt.
Der in seine Höhle eingeschlossene Riese tobte und stemmte sich mit seiner ganzen Kraft gegen das Gewölbe. Der Boden hob sich. Das Leithagebirge entstand. Das Brot des Riesen wurde zu Stein, die Kräfte Arnulfs nahmen ab. Der Riese starb eines elenden Hungertodes. Das Leithagebirge bildet sein Grab.
Die Tränen des Herrn wurden zu Bächlein, und die Bäche fließen in ein großes Wasser, das wir den Neusiedlersee nennen. Von Zeit zu Zeit vertrocknet der See. Da ist die Seele Arnulfs bei Gott. Weil sie aber noch immer Flecken zeigt, füllt sich der See wieder, um langsam wieder auszutrocknen. Der See wird immer kleiner, denn immer mehr Flecken schwinden von der Seele Arnulfs.
Die Menschen brechen aus dem Leithagebirge das Brot Arnulfs, den Stein, führen ihn über Land, verkaufen ihn und gewinnen aus dem Stein Geld, das ihnen Brot gibt. Die Abhänge des Leithagebirges sind mit Weingärten und Weinstöcken besetzt, aus denen die fleißigen Menschen Labsal, Freude und Medizin gewinnen und damit das tägliche Brot leichter und fröhlicher erwerben können.1
Naturerscheinung - Leithagebirge - Tiersage
DIE SCHLANGENPRINZESSIN
Am Wiesenabhang des Burgstallberges hüteten einst zwei Kinder aus Donnerskirchen die Kühe ihrer Eltern, als plötzlich eine fremde, schöne Dame in weißem Kleid mit goldglänzenden Federn am Hut vor ihnen stand. Sie sprach freundlich mit ihnen und bat sie, nicht zu erschrecken, wenn alsbald eine große Schlange mit einem Schlüssel im Mund vor ihnen auftauchen würde. Sie sollten ihr ohne Angst den Schlüssel aus dem Munde nehmen; reiche Belohnung wäre ihnen sicher. Die Kinder versprachen dies, doch als sich nach dem Verschwinden der Dame eine große weiße Schlange vor ihnen aufrichtete, einen goldenen Schlüssel im Munde, verließ sie der Mut, und sie liefen schreiend davon. Daheim erzählten sie aufgeregt den Eltern ihr Erlebnis und kehrten mit ihnen zu der Wiese zurück, um die Kühe heimzutreiben. Da hörten sie eine traurige Stimme aus dem Gebüsch sprechen: ,,Ich bin eine Prinzessin, die vor langer Zeit verzaubert worden ist. Nur ein Kind, das mir den goldenen Schlüssel aus dem Mund nimmt, kann mich erlösen. Es muss aber in einer Wiege gewiegt worden sein, die aus dem Holz eines Nussbaumes gefertigt ist, welcher auf einer Wiese des Burgstallberges gewachsen ist".2
Naturerscheinung - Leithagebirge - Tiersage
DIE KRONENNATTER
Diese Sagen3 gehören zur Gruppe der Tier- und Erlösungssagen. Eine Verwünschte erscheint zunächst als weiße Dame, dann als gekrönte Schlange mit einem Schlüssel im Maul, ein Motiv, das auch in den Sagen von Wiesen und Grieselstein zu finden ist. Schlangenerscheinungen, die ein Krönlein auf dem Kopf tragen, sind auch für Güssing, Neufeld an der Leitha und Donnerskirchen bezeugt. In Donnerskirchen wird das Krönlein mit Erfolg geraubt, den Räuber ereilt keine Strafe; in Güssing geben die Räuber das Krönlein wieder heraus und in Neufeld wird die Schlange als schützende Hausschlange und guter Hausgeist aufgefasst, in Güssing und Forchtenstein dagegen gibt es zusätzlich die Erscheinungsform als gefahrdrohendes Ungeheuer, Riesenschlange und Drache. Als Wappen und damit möglicherweise als auslösendes Moment für die Schlangensagen (Schlange mit Krönlein auf dem Haupt und Apfel im Maul) erscheint uns das Wappen der Familie Garai, eine siebenfach gewundene Schlange mit Krone und Reichsapfel, welches im Volksbewusstsein seit dem Aussterben der Familie und des Verschwindens der Wappengrabsteine geschlummert haben mag, ohne eine heraldischer Erklärung zu haben, die dann im "Sagenhaften" eine Deutung fand.
Die Hausschlange oder Hausnatter (wichtig ist die Zuordnung zur Natter - im Burgenland - Äskulap- und Ringelnatter), die im Gegensatz zur Otter und Viper keine Giftzähne hat, ist der glücksbringende Hausgeist, der mit Milch gefüttert und nicht vertrieben oder getötet werden soll. In Verbindung mit Donnerskirchen ist besonders die Beziehung zur Malzlacke hervorzuheben. Obwohl im Sageninhalt die Franzosenkriege im Vordergrund stehen, bezieht sich der Ortshinweis auf eine geschichtliche Örtlichkeit der Hallstattzeit, deren Erscheinungsbild nicht mehr hinreichend erklärt werden kann und deshalb auf das "nächstjüngere" bzw. "nächstliegende" historische Ereignis konzentriert.
Leithagebirge - Hexensage
DIE ERTAPPTE HEXE
An einem Sommertag wurde in der Scheune eines Bauerngehöftes in Au am Leithagebirge Getreide gebunden. Beim Mittagläuten begab sich der Bauer mit seinem Sohne zum Essen in die Stube, wobei der Sohn vergaß, wie es üblich ist, über dem Getreidehaufen das Kreuzzeichen zu machen, um es vor bösen Geistern zu schützen. Als der Bursche nach der Mahlzeit in die Scheune zurückkehrte, gewahrte er zu seiner Überraschung, dass der Getreidehaufen immer kleiner und kleiner wurde. Er wusste sofort, dass hier eine Hexe ihr Spiel treibe und unsichtbar die Frucht stehle. Rasch entschlossen warf er sein Taschenmesser in den Haufen, der urplötzlich dreimal so groß wurde, als er ursprünglich gewesen war. Der Bursche hatte nämlich mit dem Messer das Netz der Hexe durchschnitten, aus dem nun auch das Getreide rann, das sie anderen Bauern gestohlen hatte.
Jahre waren vergangen. Der Sohn hatte das elterliche Anwesen übernommen. Einmal fuhr er nach Donnerskirchen, um dort bei einer Bäuerin Ochsen zu kaufen. Nach Abschluss des Geschäftes lud ihn die Bäuerin zum üblichen Leihkauftrunk ein. Beim Brotschneiden fiel dem Bauern das Messer der Hausfrau auf. Er erkannte sein Messer, das er vor langen Jahren ins Getreide geworfen hatte, stand sofort auf, machte den Ochsenhandel rückgängig und verließ schleunigst Donnerskirchen. Die ertappte Hexe schrie ihm auf der Straße nach "Erzähl' nichts, sonst kost's dich das Leben!" Um sie war es aber trotzdem geschehen, sie starb kurze Zeit darauf.4
Erklärsage für die Geländeform - Türkenkriege - Geschichtliche Sage
DAS TÜRKEN-ANNERL
Quelle: Leander Petzoldt, Sagen aus dem Burgenland, München 1994; Hiess 1949
Am 19.08.1683 huldigten hier im Türkenlager vor Donnerskirchen die Abgesandten von Güns = Köszeg, Ödenburg = Sopron, Eisenstadt und Rust dem Emmerich Tököly.5 Dieser war übrigens der Schwager von Paul I. Esterházy, was ihn aber nicht daran hinderte, das Herrschaftsgebiet der Esterházy's zu plündern, auszurauben, zu brandschatzen und Tributzahlungen entgegenzunehmen, die eine Schonung garantieren sollten. Die Donnerskirchner Befestigungsanlagen, die um 1651 fertiggestellt wurden, waren sehr wohl geeignet, längeren Belastungen standzuhalten. Man darf sich allerdings nicht vorstellen, dass sie einer gezielten Belagerung standgehalten hätten, man darf nur davon ausgehen, dass sie plündernde und auf raschen Erfolg und Raub ausgehende berittene Truppenteile abschrecken und einen schnellen Zugriff verhindern konnten. Im Umfeld dieser historischen Informationen ist die Sage mit dem "Türken-Annerl" einzufügen, wobei hier wie selbstverständlich der Abwehrwille und das "Durchhalten" der Donnerskirchner entsprechend gewürdigt und herausgestrichen wird. "Item den 20.Augusty seyn die hochfürstlichen Commissary dess Döckelly (Tököly) von Duntelskirchen vort gereit zu den Fürsten" berichtet der Chronist Tschany. Weiters berichtet er, dass "seyen die Gruzen und etliche Türcken vom Lager aus von Tuntleskürchen, den 26.Augusty auf Forchtenstein zue kommen", nachdem bereits am 23.08.1683 ein Überfall auf Weinfuhren der Ödenburger bei Pöttelsdorf durchgeführt worden war, weiters "Item den 27.Augusty ist das ungarische und türkische Lager von Tuntleskirchen aufgebrochen und auf Creuz (Deutschkreutz) und Girm zu, wo sie ihr Lager gemacht".
Wald- und Feldgeister - Leithagebirge
DAS BERIMANDL
Auf der waldigen Kuppe des Burgstallberges, einer einstigen hallstattzeitlichen Burg- und Opferstelle in Donnerskirchen erscheinen in mondhellen Nächten seltsam gekleidete Gestalten. Burgfräulein und Ritter wandeln zwischen den Stämmen der Föhren und tanzen Tänze aus längst vergangener Zeit. Im Geäst knorriger Akazien, Eichen und Föhren nisten Naturgeister und unheimliches Nachtgetier. Das Berimandl6, ein scheues Bergmännlein, 3 Spannen hoch, trägt einen Lederkragen mit Kapuze und hütet hier einen verborgenen Schatz, es gilt aber gleichzeitig als der gute Geist des Leithaberges. Leute trafen es öfters, wenn es sich auf den alten Erdschanzen und den ehemaligen Weingärten des Burgstallberges sonnte und dabei in das Tal der Wulkamündung mit den vielen Mühlen und spitzen, weißleuchtenden Kirchtürmen hinausschaute. Überraschte man es und wollte es ansprechen, so legte es seinen Zeigefinger auf den Mund, zum Zeichen, dass es nicht gefragt werden wollte und verschwand im Gebüsch. Es hat die Gabe, in die Zukunft vorausschauen zu können und Unglück anzukündigen und soll die Bewohner von Donnerskirchen und des Leithaberges durch sein Erscheinen vor kommendem Unglück warnen. Wenn es auch ein harmloses, ja gutes Geschöpf ist, so weicht man ihm doch gerne aus.
Einst ging ein Eisenstädter Bürger nach seinem Tagwerk im Wald bei einbrechender Dunkelheit stadtwärts, da bemerkte er das Berimandl, das ihm leise trippelnd folgte. Es sah ihn mit traurigen Augen an und ließ sich nicht wegschicken. Voll banger Sorge, ein Unglück erahnend, nahm er eilends statt des gewohnten längeren Heimweges eine Abkürzung und sprang über die Gartenmauer in den Hof seines Hauses. Da stand das Berimandl vor ihm und sagte teilnehmend: "Musst nicht stark weinen!" Als er in die Stube trat, fand er seine Frau todkrank in den letzten Zügen liegend vor.
Eine weitere Sage aus Eisenstadt berichtet davon, dass das Berimandl einem Mädchen bei der Wallfahrt nach Loretto erschienen ist. Es begleitet das Mädchen, das erstmals an dieser Wallfahrt teilnahm und als Nachzügler der Gruppe nacheilte, ein Stück des Weges, macht sich dann bemerkbar und meint "Madl, Madl, du brichst dir heute bei der Stiegen das Wadl!" Das Mädchen verlacht die Warnung, da doch auf der ganzen Strecke nach Loretto und auch dort selbst keine Stiegen zu besteigen sind. Das Mädchen eilt weiter und erreicht die Wallfahrergruppe auf der Hälfte des Wallfahrtsweges, dort wo der Weg steil und in Terrassen ansteigt. Hier stürzt das Mädchen plötzlich und bleibt mit gebrochenem Unterschenkel liegen. Als es von der Erscheinung des Berimandls erzählt, erklärt eine alte Frau, dass dieses Stück Weges seit altersher die Bezeichnung ,,Zu den sieben Stiegen" hätte.
So hat das Berimandl mit seiner Prophezeiung wieder recht gehabt.
Die Gestalt des Berimandls steht hier als Beispiel für die Berggeister, die in burgenländischen Sagen auftreten. Im südlichen Burgenland taucht auch das Grünröckl auf. Beide ähneln in Gestalt und Wesensart den Zwergen. Beim Berimandl herrscht Gutmütigkeit des Charakters vor; es hat die Gabe, den Menschen die Zukunft zu künden, ist aber von Mitleid erfüllt, da es wie in obiger Sage fast immer unange nehme Botschaften zu vermelden hat. In einer weiteren Sage aus Eisenstadt, die auf den Burgstallberg unmittelbar zutrifft, hütet das Berimandl einen Schatz, der sich in den Erdschanzen befindet. Hier liefert die Sage eine Erklärung für die Überreste der urgeschichtlichen Wehranlage und verknüpft damit die Figur des Berggeistes. Das Grünröckl im südlichen Burgenland erscheint im Günser Gebirge und im Wechselgebiet. Es hat ein grünes Röcklein an und trägt einen spitzen Hut, daher rührt auch der manchmal auftauchende Name "Spitzhütl". Dieser Berggeist hat Rosinen als Lieblingskost, neckt gerne Menschen und treibt mit ihnen allerhand Schabernack, ist also im Erscheinungsbild deutlich negativ besetzt.
In das umfassende Begriffsgebilde der "Naturgeister und Naturerscheinungen" zählt neben dem Berimanderl des nördlichen Burgenlandes (vornehmlich Bezirk Eisenstadt) und dem Grün- oder Spitzhütl des Bernsteiner- und Rechnitzer Gebirges auch das Kornmännchen der Wulkaebene mit ihren Randgebirgen oder Hügelketten, der Wassermann des Hansags und des Neusiedlersees und das Lutscherl des Wechselgebietes.
Leithagebirge - Weinbau - Guter Geist - Elbensagen
DER LESEÄHNL
Vor langer, langer Zeit hatten die Türken mit ihren plündernden und brandschatzenden Scharen unser Land überzogen. Sie zerstörten Häuser und Kirchen, vernichteten oder führten Vorräte an Getreide und anderen Lebensmitteln als Beute fort, vertrieben die Bevölkerung oder schleppten sie als Gefangene mit. Jene, die ihr Hab und Gut nicht im Stiche lassen wollten oder das ihnen überantwortete Gut schützen wollten, wurden Opfer der gegen sie angewendeten Gewalt.
Ein Verwalter der Esterházy'schen Weinberge an der sonnendurchfluteten südöstlichen Flanke des Leithagebirges im Weichbild des Neusiedlersees hatte gerade seine Wanderung durch die in vollem Wachstum stehenden Weinberge beendet, in denen er mit freudigem Herzen schon den außergewöhnlich hohen und guten Ertrag vor Augen hatte und der Lese in zwei Monaten geradezu entgegenfieberte, als ein reitender Bote die Hiobsbotschaft überbrachte, dass die Festung Raab durch die Türken belagert werde und sich gleichzeitig ein Heer von noch nicht dagewesener Stärke donauaufwärts in Richtung Wien bewege.
"Jetzt, wo alles in vollem Saft steht und sich eine noch selten verzeichnete Ernte ins Haus steht, kommt dieses Unheil! Aber was soll's, vielleicht bewegt sich das Ganze nur an der Donau entlang, vielleicht bleibt es sogar in Raab stehen! Vielleicht haben wir Glück, und das Unheil bleibt auf der anderen Seite des Leithagebirges!" dachte sich der rechtschaffene Mann.
Einige Tage darauf kam die Kunde, dass das wundertätige Marienbild von "Unserer lieben Frau auf der Heide" nach Forchtenstein in Sicherheit gebracht worden war. Fast gleichzeitig war in den Nachtstunden vereinzelt roter Schein am östlichen Horizont zu sehen. Am Tag waren schwarze Rauchwolken erkennbar. Noch behielt der Mann seine Leute beisammen, noch konnte er die drohende Gefahr verharmlosen, noch ging alles seinen gewohnten Gang.
Ein kurzer Hoffnungsschimmer erfasste alle, als bekannt wurde, dass die Kriegsscharen des Emmerich Tököly für diese Zerstörungen verantwortlich waren und dass man eigentlich erwarten konnte, dass der Schwager die Besitzungen von Paul Esterházy und seiner Gattin Eva Tököly verschonen würde. Dieser Gedanke verflog jedoch und machte einer gewissen Verzweiflung Platz, als die Wallfahrtskirche von Frauenkirchen in Flammen aufging und die ersten Flüchtenden aus dem Seewinkel auftauchten. Mit ruhiger Überlegung begann der Verwalter, die Beweglichkeiten des Gutshofes, der Kellerei, des Meierhofes in Sicherheit zu bringen. Sie wurden zum Teil nach Eisenstadt ins Schloss oder nach Forchtenstein in die Festung gebracht. Er vermauerte den Kellerabgang zum herrschaftlichen Fassweinkeller und schickte die Bediensteten nach Eisenstadt und Forchtenstein. Das Vieh wurde im Leithagebirge versteckt, und als die letzte Fuhre aufbrach, sagte er den Mitfahrenden: "Ich bleibe hier und sorge für die Güter meines Herrn!"
Es sollte noch Tage dauern, bis die schlimmen Berichte von Flüchtenden, bis die Feuerzeichen der Brandschatzungen und mutwilligen und sinnlosen Zerstörungen den engeren Wirkungsbereich des Verwalters erreichten. Eines Morgens, wie seit Jahren üblich, war er in den Weinbergen unterwegs, um den Zustand zu beobachten und sich am reichen Wachstum eines begünstigten Jahrganges zu erfreuen, als Kampfes lärm, Rauchschwaden und hohe Feuerzungen in der Ortschaft seine Aufmerksamkeit erregten. Fast gleichzeitig näherte sich eine Staubwolke in einem der bergwärts führenden Hohlwege, und eine Horde beutelustiger Krieger ergoss sich in die Stockkulturen bei der Verfolgung einiger Dorfbewohner, die den richtigen Zeitpunkt zur Flucht versäumt hatten und in gehetztem Laufe den Sicherheit bietenden Bergwäldern und Schluchten entgegenflohen.
Der Verwalter lief den Horden entgegen, blind gegenüber der Gefahr, nur beseelt vom Gedanken, die Plünderer von den Flüchtenden und von seinen Weinbergen, seinem Lebenswerk, in dem er jeden Weinstock kannte, in dem er jeden Stock gepflanzt, verjüngt und mit Hingabe durch die Jahrzehnte begleitet hatte, abzulenken. Wie von magischer Hand gelenkt, hielten die Horden des Tököly, eigentlich nur eine Handvoll beutegieriger Plünderer, kurz an, wie überrascht von dem Einzelgänger, der ihnen entgegenkam, wild fuchtelnd und schreiend. Doch dann brach der Bann, und sie stürmten über ihn hinweg, den Berg hinunter, um ihre Haupt truppe, die in Richtung Eisenstadt weitergezogen war, zu erreichen. Das Blut des zerschundenen und tödlich verletzten Mannes vermischte sich im Erdreich mit dem Saft der von den Pferde hufen zertrampelten Trauben. Als er von den flüchtenden Bewohnern nach einiger Zeit gefunden wurde - diese waren in ihrer Angst zunächst weiter gerannt, hatten sich dann versteckt gehalten und waren erst, als alles ruhig blieb, wieder in Richtung Ortschaft gelaufen - hatten sich seine erstarrten Hände an zwei Weinstöcke geklammert. Sie konnten nicht gelöst werden, sodass der Tote mit den Weinstöcken bestattet wurde. Seit dieser Zeit soll dieser gerechte und mutige "Arbeiter im Weinberg seines Herrn" als guter Geist über die Weinberge wachen. Besonders arbeitsame, gottesfürchtige Winzer sollen im Morgengrauen, zu einer Zeit also, in der unsere Ahnen üblicherweise ihr Tagewerk begannen, den guten Geist der Weinberge, den "Leseähnl" sehen können, wenn er mit leisen Schritten, einem freundlichen Lächeln im Gesicht, angetan mit einem blauen Schurz, schwarzer Stiefelhose und einer Butte auf dem Rücken durch die Weinberge geht. Dabei berührt er die Reben und segnet sie und gibt den Trauben die Gabe guten Wachstums und süßer Fülle. Wenn die Menschen die Ehrfurcht vor der Natur, die Dankbarkeit für die Gottesgaben und das Gefühl für einen gottgefälligen Lebenswandel verlieren, wird auch der "Leseähnl" immer seltener gesehen.
In der letzten Zeit hört man sehr wenig von ihm. Woran mag das wohl liegen? Wahrscheinlich geht niemand mehr beim Morgengrauen in den Weinberg, um ihn zu bearbeiten oder nach den Trauben zu sehen!
In dieser Sage verbinden sich die Motive eines Naturgeistes - der gute Eigenschaften aufweist, die er unmittelbar durch Berührung und Anwesenheit seiner Umgebung zukommen lässt, dessen Nichterscheinen jedoch negativen Einflüssen breiten Raum gibt - und das Schicksalsmotiv von herausragenden Einzelpersonen aus der Zeit der Türkenkriege. Eine gewisse erzieherische Wirkung dieser Sage ist durch die Charakterdarstellung des "Leseähnls" und der beispielhaften Aufopferung des Verwalters gegeben, der der Nachwelt als Vorbild und als ,,guter Geist" erhalten bleibt und damit den irdischen Tod überwindet. Das Leithagebirge wird von mehreren ,,Naturgeistern" bewohnt, so z.B. dem Berimanderl, der Klage und dem "Tschankerl", unter denen das Berimanderl dem Menschen kurzfristige Einblicke in die Zukunft gewährt, während die beiden übrigen eher den negativ besetzten Erscheinungen zuzuzählen sind.
Religiös motivierte Erklärsage
DER TRÄNENKRUG
Die Toten - und dies ist im Volksglauben unserer kroatischen Mitbewohner verankert, aber schon lange in Vergessenheit geraten - soll man nicht allzu lange betrauern, denn das beschwert ihre Seele im ewigen Leben. Am Allerseelentage, wenn um Mitternacht die Seelen der Verstorbenen zum Gebete in die Kirche wallen und einziehen, kann man sehen, wie manche von diesen bleichen Schatten Krüge tragen, unter deren Last sie fast zusammenbrechen. In diesen Krügen sind die Tränen, die um die Toten geweint wurden.
In einem kleinen Dörfchen lebte eine Witwe mit ihrer Tochter Maria. Die beiden hingen mit großer Liebe und Zuneigung aneinander, aber die Frau war kränklich, und alle Pflege der Tochter war letztlich vergebens; sie starb in den Armen des Mädchens mit einem Segensworte auf den Lippen.
Marias Schmerz war unbeschreiblich; Tag und Nacht beweinte sie ihr gutes Mütterchen; sie vermochte bald nicht mehr ihre Arbeit zu verrichten und aß nur noch weinige Bissen, sodass sie selbst, die früher so blühend und gesund war, bleich und abgezehrt wurde und eher einer Toten als dem Bilde lebensfroher Jugend glich.
Vergebens warnten sie die Leute des Dorfes und erklärten ihr, dass sie damit der lieben Toten nur Schmerz bereite. Es half nichts, ohne Aufhören entstürzten ihren Augen bittere Tränen des Schmerzes.
So kam Allerseelen, das Fest der Toten. Die Mitternachtsglocke des Dorfkirchleins erklang, und die Leute aus dem Dorfe stiegen zum Hügel hinan, auf dem die kleine Kirche stand. Finster und stürmisch war die Nacht, und schwere Wolken standen am Himmel und verhüllten den Glanz der Sterne. Nur aus den Fenstern der Kirche blitzten wie kleine Funken die Lichter der Kerzen. Maria wankte die Stufen zum Kirchentor hinauf und stellte sich an den Eingang zum Gotteshause, um sogleich ihre Mutter sehen zu können, wenn sie von Friedhof herauf im Zuge der Verstorbenen die Kirche betrete.
Es kamen viele weiße, schattenhafte Gestalten, nicht alle trugen Krüge in den Händen, die meisten der Krüge schienen federleicht zu sein. Da sah Maria auf einmal eine Gestalt, die nur mühsam einherging, denn der Krug, den sie mit beiden Händen trug, war viel zu schwer für sie. Maria sah die Erscheinung genauer an und blickte in das liebe Gesicht ihrer Mutter. Aber dieses war mit dem Ausdruck vorwurfsvollen Schmerzes auf sie gerichtet. Mit tonloser Stimme sagte die Gestalt: "Höre auf, mein Kind, um mich zu weinen; ich kann den Krug nicht mehr tragen, der die Tränen enthält, die deinen Augen entströmen."
Der letzte Klang der Mitternachtsglocke war verhallt; alle weißen Gestalten, die sich in die Kirche gedrängt hatten, verschwebten ins Nichts. Bald verloschen auch die Lichter im Gotteshause, die Dorfbewohner kehrten in ihre Häuser zurück und die Schleier der Nacht senkten sich auf die Stätte, wo die Toten ruhten. Der erste Frost des beginnenden Winters legte sich auf Dorf, Kirche und Friedhof.
Maria ging still nach Hause. Auch in ihr Herz hatte sich der Friede gesenkt. In emsiger Arbeit fand sie Trost und hütete sich davor, das Tränenkrüglein ihrer lieben Mutter noch schwerer zu machen.
Quelle: nach Leo Smolle, Sagenbuch aus Österreich und Ungarn, Wien-Budapest-Stuttgart
Bestrafter Sünder - Neusiedlersee - Schilfgürtel
DER TODFLÖTER
Einem alten, im fürstlichen Dienst ergrauten Fischer, verstarb bereits in jungen Jahren sein Weib. Er hatte die fürstliche Küche in Eisenstadt, Forchtenstein oder Wien mit köstlichem Seefisch, mit Zander, Wildkarpfen, Aal etc. zu versorgen. Bedingt durch die schwierigen Bedingungen der Frischhaltung war es eine aufwändige und die Tageszeit füllende Arbeit, die oft auch zu ungewöhnlichen Zeiten verrichtet werden musste. Lange Jahre hatte er es in seiner kleinen Hütte am Rande des Schilfgürtels, unweit des Seehofes im Donnerskirchner Gemeindegebiet ausgehalten.
Doch eines Tages, die Faschingszeit war gerade am Höhepunkt, als ihn trotz seines Alters, oder gerade deswegen, das Verlangen nach einem blühenden Weib erfasste. Er heiratete binnen kurzer Zeit eine dralle Magd aus Winden am See. Eindringlichst versuchte der Pfarrer, ihn von diesem Vorhaben abzubringen, doch der Fischer blieb stur und ließ sich nicht beirren. Anfangs zeigte sich die junge Ehefrau willig und fleißig. Als aber die ersten Tanzveranstaltungen und Unterhaltungen nach der Weihnachtszeit im Fasching im Dorfe begannen, wurde die junge Frau von der Tanzwut ergriffen. Bei jeder Gelegenheit stahl sie sich heimlich aus dem Hause und ging ihren Vergnügungen nach. Oft versuchte der Fischer, seiner jungen Frau ins Gewissen zu reden, doch diese hatte kein Einsehen. Besonders arg wurde es nach Jahresfrist, wieder zur Faschingszeit, als sich der Hochzeitstag zum ersten Mal jährte. Jede Nacht entfernte sie sich heimlich vom Hause und kehrte erst in den Morgenstunden wieder zurück, vom Tanz erhitzt, trunken vom Wein und dem Geschwätz der Tänzer. Der Fischer konnte die Atmosphäre, den Alkohol, die Stimmung und die Aura der fremden Tänzer förmlich riechen, ja fast körperlich spüren, wenn sie die Hütte betrat und in ihrer Kammer verschwand.
Als es in einer blütenduftenden, wundersam lauen Maiennacht wiederum soweit war, dass die Fischerin zum Tanz geschmückt die Hütte verließ, fasste der Fischer einen Entschluss. Aus einer alten Truhe, in der er all seine Habseligkeiten und Besitztümer verborgen hatte, kramte er eine alte, vergilbte Knochenflöte hervor. Mit dieser setzte er sich in seinen Kahn, der vor seiner Hütte im leisen Wellengang schaukelte, und wartete. Wartete auf sein Weib, das sich beim Tanze vergnügte. Die Melodien klangen vom Dorfe mit den sanften Lüftchen über das Schilf herüber.
Als der Morgen graute, kam die Frau langsamen, verträumten Schrittes auf die Hütte zu. Jetzt begann der Fischer auf seiner Flöte zu spielen. Lockend und schmeichelnd, aufmunternd und fordernd, sehnsüchtig und schmelzend, berauschend und betörend klang die Melodie. Die Frau begann sich zu drehen und zu tanzen, langsam bewegte sie sich auf den Kahn zu. Als der Fischer diesen durch einige gezielte Stangenbewegungen gemächlich auf den See hinausbewegte, folgte sie ihm tanzend und schwingend.
Der Fischer fuhr langsam immer weiter auf den See hinaus, immerfort auf der Flöte spielend. Das Wasser wurde immer tiefer, die Frau war schon bis zu den Hüften im Wasser, noch immer von den süßen und schmeichelnden Melodien verzaubert, als der Fischer eine der Tiefstellen erreicht hatte und die Frau jählings den Boden unter den Füssen verlor und mit einem gurgelnden, klagenden Laut in den Fluten versank. Der Fischer blies weiter, bis auch die letzte Luftblase an die Oberfläche gestiegen war und keine Welle mehr an das versunkene Menschenleben erinnerte. Dann richtete sich der Fischer in seinem Kahn hoch auf und sprang in die Fluten, um auch sein Leben zu beenden.
Seit dieser Zeit kann man in jenen Nächten, in denen Tanzmusik aus den Orten über den See hinweg klingt, auch den Todflöter im See spielen hören. Alle tanzlustigen Mädchen werden gewarnt, diesen schmeichelnden Klängen zu folgen.
Quelle: Meyer-Presich, Burgenland in Bild der Sage, Eisenstadt 1986; S 71; Hiess, Die goldenen Lerchen, Linz 1949, S 234
Seelensage - Wilde Jagd
DIE WILDE JAGD
Wieder einmal war in der Seemühle eine fröhliche und ausgelassene Sonnwendfeier im Gange. Zwischen den zahlreichen einheimischen Bauern, Handwerkern und Tagelöhnern, die sich schon auf den beginnenden Getreideschnitt und die Heumahd eingefunden hatten, befanden sich auch fremdländische Schiffszimmerleute und Soldatenvolk. Hatte man doch auf Befehl des Fürsten begonnen, am Ufer des Neusiedlersees Schiffe auf die Helling zu legen, mit denen ein regelmäßiger Schiffsverkehr über den See hinweg nach Frauenkirchen aufgenommen werden sollte. Die Schiffe sollten das Baumuster der holländischen Niederwassersegler aufweisen. Dazu waren die Zimmerleute angeheuert worden.
Gegen Mitternacht nun machte sich eine junge Frau aus Oggau auf den Heimweg. Noch erhitzt vom Tanze, dem Wein und der fröhlichen Stimmung schritt sie im flotten Gange über einen oft benützten Wiesenweg in Richtung Oggau.
Unterhalb der Rosalienkapelle nun, wo der Weg mit der Straße aus Donnerskirchen gleichläuft, hörte die junge Frau einen Wagen in rascher Fahrt näherkommen.
"Ha, da kann ich vielleicht mitfahren, möglicherweise kenne ich das Fuhrwerk!" dachte sie und ging durch einen Weingarten zur Straße. Je näher sie kam, umso lauter wurde der Fahrlärm, umso lauter wurde das Getöse in den Lüften. Gleichzeitig kam ein heftiger Wind auf und sie dachte: "Hoffentlich hält das Fuhrwerk, sonst komme ich noch mitten in ein Unwetter!".
Immer lauter wurde der Lärm, die Windböen erschwerten den Weg. Sie vermeinte schon, das Fahrzeug verpasst zu haben, als sie die Straße erreicht hatte und außer Lärm und Sturm weit und breit nichts zu sehen war.
Da erfasste sie jäher Schrecken. Wie mit einer Riesenfaust wurde sie von einem Angstgefühl umklammert. Sie drehte sich um und rannte von der Straße weg, zurück zum Wiesenweg. Dabei rannte sie, stolperte, verfing sich in den Stockreihen des Weingartens und stürzte schließlich mit dem Ausruf: "Jesus, Maria und Josef!" in eine Rainfurche zwischen den Weingärten und einer Hutweide unter einen Wacholderbusch.
Als sie sich wieder gefasst hatte und nach dem Sturz wieder ihre Siebensachen zusammen kramte und auch sich selber wieder orientierte, war wieder die schönste und ruhigste Sommernacht. Kein Lufthauch bewegte sich, und die Sterne funkelten wie blank poliert.
Ohne weiter anzuhalten oder nachzudenken, mit dem Schreck in den Gliedern, lief sie, so schnell sie ihre Füße trugen, nach Hause.
Als sie die Vorkommnisse der Nacht einer alten Frau erzählte, sagte diese. "Du bist der wilden Jagd begegnet. Nur dein Hilferuf und der Sturz unter den Wacholder, der dich beschützt hat, haben dich vor Schaden an Leib und Seele bewahrt!".
Bestrafter Sünder
DER VERDAMMTE FISCHER
Die Seejungfrauen am Neusiedler See sind überaus schöne Wasserfeen und haben ihre Tummelplätze in den zahlreichen geheimnisvollen Schilfrohrinseln, die den blanken Meeresspiegel mit wogendem Grün beleben.
Vor langer Zeit lebte in einem Seedorf ein reicher, doch geiziger Fischer. Täglich brachte er eine Zille (Boot) mit den schmackhaftesten Fischen ans Ufer. Und immer war ihm der Fang zu klein. Noch mehr Garden (Reuse, Rohrgeflecht, das zum Fischfang dient) stellte er aus, und selbst die kleinsten Fische konnten ihm nicht entrinnen.
Mit der Zeit aber war der Fischreichtum des Sees erschöpft. "Wehe den Seejungfrauen!" schalt öfters der habgierige Fischer "sie haben mir die Fische vertrieben!" Eines Tages, als er mit der Zille den Schilfrand entlangfuhr, gewahrte er ein zerrissenes Netz. Voll Ingrimm ergriff er die Fischgabel, um sie dem Schadenstifter, einem Wels, wie er vermutete, in den beschuppten Leib zu stoßen. Aber plötzlich tauchte aus den Wellen eine anmutige Wasserfee empor. "Lass mich frei, Fischer", bat sie flehentlich. "Sieben Tage und Nächte schon bin ich im Netz gefangen. Ich bin die Seefrau, meine Kinder weinen nach mir." Höhnisch lachte der Fischer: "Freilassen? Das möchte dir passen! Zuerst die Fische verjagen, dann noch das Netz zerreißen! - Da hast du, Fischräuberin!". Blindlings stieß er mit der Gabel zu. Sterbend hob die Seefrau ihre weiche Hand. "Sei verdammt für deine ruchlose Tat! Nie mehr sollst du die Deinen wieder sehen!" Ihre weiße Gestalt sank unter, auf der Wasserfläche ringelten sich ihre Haarflechten wie goldgelbe Nattern. Der Seegrund erbebte, rabenschwarze Nacht brach herein, ein Sturmwind riss Fischer und Kahn in das offene Wasser hinaus.
Vergeblich wartete das Hausgesinde auf die Rückkehr seines Herrn. Als sich auch nach Monaten keine Spur des Vermissten zeigte, teilte es dessen Hab und Gut unter sich auf und verließ das Haus. Langsam vermorschte das Dach des Hauses, und das Mauerwerk versank im versumpften Uferboden.
Wenn an stillen Abenden feine Nebelschleier über das flüsternde Röhricht gleiten, hört man vom See her das Aufschlagen und Knirschen einer Zillenstange. Es ist der verdammte Fischer, der mit müder Hand seinen Kahn lenkt und nicht von der Stelle kommt. Und immer wieder erklingt leise das Klagelied der verwaisten Seejungfrauen.
Naturgeister
DAS SCHILFMANDL
Zu Urgroßvaters Zeiten, als es noch keine Autos und Flugzeuge gab, hausten am Neusiedler See harmlose Wassermänner. Sieben an der Zahl sollen es gewesen sein.
Einer von ihnen trieb sich zwischen Jois und Donnerskirchen umher. Er war ein besonders hässlicher Geselle, dass alle, die ihn sahen, vor Abscheu einen Bogen um ihn machten, damit sie ihm nicht zu nahe kamen. Man nannte ihn das "Schilfmandl", denn er hielt sich am liebsten im Schilf auf und trug einen Bart, der ihm bis zum Bauch hinabhing und so grau-braun-grünlich erschien, eben so, wie das Schilf war.
Wenn Jahrmarkt war, kam er ans Ufer und mischte sich unter die Menschen. Man erkannte ihn aber leicht, weil ihm aus dem linken Ärmel seines schmutziggrünen Rockes immerfort Wasser tropfte. Da er gutmütig war und niemandem etwas zuleide tat, ließ man ihn in Ruhe. So lebte das Schilfmandl viele Jahre ungestört im Schilf, aber keiner wusste, wovon es sich nährte und kleidete.
Einmal ritt ein vornehmer Edelmann durch den Wald beim Teufelsjoch in Jois, und es überraschte ihn dabei ein schweres Gewitter. Es regnete so stark, dass sich kleine Gräben im Nu in reissende Wildbäche verwandelten.
Der vornehme Reiter trieb seinen Schimmel an, um einen schützenden Ort zu erreichen. Ein breiter Wildbach, den das Tier nicht überspringen konnte, hemmte seinen Lauf. Der Reiter musste vom Pferd steigen und einen großen Felsblock in das Wasser wälzen. "Nun zeig, was du kannst!" sagte er, während er wieder in den Sattel kletterte. Schnaubend stieg das Pferd in die Höhe, erreichte auch die Steinplatte, glitt aber aus und stürzte mitsamt dem Reiter in das Wasser. Beide wurden von der Strömung mitgerissen und versanken in den tobenden Fluten. Das Schilfmandl hatte ihn zu sich geholt.
Später legte das Schilfmandl einen Blumenstrauß auf den Felsblock, der heute noch zu sehen ist. Auch die Hufabdrücke kann man noch erkennen. Von den Hufen des Schimmels hat das Schilfmandl bisher drei gefunden. An dem Tag, an dem es den vierten findet, wird die Welt untergehen.
Naturgeister
DAS FELDMANDL
Wer Glück hat, kann auf den Donnerskirchner Feldern7 dem Feldmandl begegnen. Es ist ein kleiner Wicht von erdbrauner Farbe, sein Gewand ist aus Kukuruzstroh, den Kopf bedeckt ein ausgedienter Filzhut.
Diesem Feldmandl begegnete vorzeiten ein armer Feldhüter. Dieser grüßte freundlich das Feldmandl, das gerade Rüben briet. Es fragte den Feldhüter nach seinen Familienverhältnissen und dieser schilderte offen seine Not. Da gab ihm das Feldmandl drei gebratene Rüben und sagte: "Eine lege deinem kranken Weibe auf und es wird bald gesund sein; die zweite vergrabe auf deinem Pachtacker und du wirst zehn fache Ernten einbringen. Die dritte lege zum Brennholz und es wird dir die Feuerung nie ausgehen. Beneide aber keinen Menschen, sonst verlieren die Rüben ihre Zauberkraft".
Für den armen Feldhüter kamen wirklich glückliche Zeiten und er dachte voll Dankbarkeit an das Feldmandl.
Einmal musste der Feldhüter nach Eisenstadt reisen. Als er dort auf den Straßen die goldenen Kutschen sah, kam ihn beinahe der Neid an, aber er besann sich gleich wieder. Als er aber das prächtige Schloss mit den vielen Fenstern und dem herrlichen Park dahinter sah, konnte er den Neid nicht mehr unterdrücken. In diesem Augenblick war die Zauberkraft der Rüben entschwunden und der Feldhüter kam wohl reuevoll, aber als armer Mann nach Donnerskirchen zurück und sah das Feldmandl nie wieder.
Quelle+Literatur:
Josef Klampfer, Das Land um den Neusiedlersee, Berglandverlag Wien 1963, S 60;
Josef Klampfer, Das Land um den Neusiedlersee, Berglandverlag Wien 1963, S 57;
Der Riesenhans, Verlag Jugend und Volk, Wien 1976, S 18
Elbensage - Seelensage
DIE "KLAGE" IM LEITHAGEBIRGE
Ein Bauer im Leithagebirge hatte eine kranke Tochter. Einmal setzte er sich zu ihr ans Bett und nahm sie an der Hand, um sie zu trösten. Da sprang eine Kugel von der Zimmerdecke, die war schwarz und funkelte zugleich. Sie sprang auf den Fußboden und rollte dort blitzschnell herum. Der Bauer merkte sofort, dass es die ,,Klage" war, die Schicksalskugel. Schnell stieg er auf einen Stuhl, damit die Kugel ihn nicht berühren konnte. Da rollte sie blitzschnell unter das Bett der Kranken. Der Bauer griff nach dem Mädchen und riss es aus dem Bett. Die Kugel kam hervor, sprang hoch und rollte auf die Bettdecke. Dort zerplatzte sie, und das Bett fing an zu brennen. Dem Mädchen aber geschah nichts, und es wurde wieder gesund.
Ein anderes Mal führte ein Bauer einen Wagen voller Weinfässer über das Gebirge. Er ging neben seinem Wagen und pfiff dabei ein Lied. Plötzlich sah er eine feurige Kugel heranrollen. Die Pferde schnaubten und wieherten vor Angst. Der Bauer nahm schnell einen Holzprügel und schrie: ,"Roll anderswo hin, sonst zerschlag ich dich wie einen Kürbis!" Aber die Kugel ließ sich von seinem Geschrei nicht aufhalten. Sie rollte auf das Pferdegespann los und tanzte funkensprühend um den Wagen, den Bauern und die Pferde herum. Die Pferde rannten schneller vor Angst, und der Bauer konnte gerade noch auf den Wagen springen. Als das nächste Dorf in Sicht kam, hüpfte die Feuerkugel von der Straße weg in die Felder hinein.
Der Bauer hielt seine Pferde vor dem Gasthaus an und berichtete aufgeregt von der feurigen Kugel. Die Leute wollten ihm erst nicht glauben. Dann aber fanden sie in seiner Schürze zwei Brandlöcher, und an der Mähne des einen Pferdes waren ein paar Haare verbrannt. Dem zweiten Pferd war der Schweif angesengt. Da sagte die Wirtin: "Das kann nur die ,Klage' gewesen sein. Ihr könnt von Glück reden, dass sie Euch nur gestreift hat."
Quelle+Literatur: Josef Klampfer, Das Land um den Neusiedlersee, Berglandverlag Wien 1963, S 57; Der Riesenhans, Verlag Jugend und Volk, Wien 1976, S 18
Naturereignis - Elbensage - Seelensage
DER WETTERMACHER
Es ist ein unheimlich gesegnetes Jahr, man wird außer Atem sein, bis man das Korn in die Säcke geschaufelt haben wird, und so viele Fässer gibt es im Lande nicht, dass man allen Wein einfüllen kann, den die Rebhügel zur Weinlese liefern werden. Es ist ein Jahr, in dem wahrlich Milch und Honig rinnt. Die Euter der Kühe sind niemals so voll gewesen, es ist eine seltsam ergiebige Würze von jeglichem Kraut, und früher als sonst hat man die Waben aus den Bienenstöcken geschnitten. Und am Honig schmeckt man dieses wunderbare Jahr erst recht.
Wie wird sich die Pracht über den Sommer hin entwickeln, wenn sie jetzt im frühen Sommer schon so reich und gehaltvoll ist?
Dem Bauer Jos gehört ein großes Feld in der Nähe von Donnerskirchen, voll in der Sonne und umgeben von Wald. Dort hat er Buchweizen ausgesät, und der steht nun in voller Blüte. Es kann kaum beschrieben werden, wie köstlich der Acker blüht, über ihm ist der süsse Duft von Honig, wie wir es heute von den Rapsfeldern kennen; wenn man an der Wegkapelle steht, riecht man ihn schon, und das ist beinahe tausend Schritte weit. Die Lerchen fallen betäubt aus der Luft in das Feld.
Zu diesem Buchweizen führt der Bauer Jos seine Bienen auf die Weide. Die Fluglöcher der Stöcke hat er mit nassem Moos verstopft, und vor der brausenden Fracht sitzt er mit zwei guten Nachbarn auf dem Wagen. Es ist einmal so, dass man sich gerne auf den Wegen begleiten lässt, man muss immer jemand bei sich haben, mit dem man das Verwundern tauschen kann, mit dem man alte Geschichten aufwärmen und auffrischen kann, mit dem man die Freude teilen kann.
Die Bienenhirten fahren an einem Feldrain vorüber, da sitzt ein zerlumpter Rastelbinder zwischen Wegerich, Bocksbart und Hahnenfuss und kratzt sich, wie sich Landstreicher kratzen, wenn die warme Sonne ihre Inwohner rebellisch macht.
Die drei Bauern in ihrem Übermut und weil immer einer dem anderen die Stichworte zuspielt, lachen den Rastelbinder aus und hänseln ihn.
"Haben dich die Bienen gestochen?" fragt der erste. "Hat dich ein Schmetterling gekitzelt?" fragt der zweite. "Hast du streitsüchtige Gäst?" fragt der dritte. Der Rastelbinder wirft ihnen einen giftigen Blick zu und schreit ihnen nach: "Fahrt zu, wie ihr wollt, ihr werdet heut noch nass." Die Bauern lachen aus vollem Hals. "Vergunnen möcht er es uns", sagt der Bauer Jos. Aber der Himmel ist überall blau, das Wetter ist beständig seit Wochen, dass es den Saft in den Trauben gehörig kochen kann. Das Pferd trabt durch einen Wald, es ist schattig darin, dunkel von alten Bäumen, aber wie sie aus dem Wald hinausfahren, ist es dunkel auch von Wolken. Ehe sie noch vom merkwürdigen Wetter zu reden anfangen, schüttet es schon aus dem Himmel, als sollte es dann nie mehr regnen. Sie schnappen in dem wilden Guss nach Luft, und bald spüren sie das Wasser an der Haut. Bis sie zu dem nächsten Einkehrwirtshaus kommen, ist längst kein trockener Faden mehr an ihnen, und die Schuhe können sie ausleeren wie einen vollen Krug.
In dem Gasthaus sitzt der Rastelbinder beim Wein, ist pulvertrocken und lacht ihnen entgegen: "Bei solchem Wetter muss man schnell sein" sagt er und kümmert sich dann nicht mehr um die verdrossenen Bauern. Sie müssen länger verweilen, bis ihre nassen Röcke am Herd notdürftig getrocknet sind, dann wollen sie ihre Zeche bezahlen. Aber wie sie in ihren Säcken auch herumbohren, sie finden kein Geld, die Beutel sind fort. Schon will der Bauer Jos dem Wirt einen Bienenstock verpfänden, da kommt der Rastelbinder aus dem Flur herein und legt die drei Geldkatzen auf den Tisch. "Hab sie im Straßenstaub gefunden", behauptet er. Die drei Bauern müssen sich bei dem zerlumpten Rastelbinder noch bedanken. Der Jos schiebt ihm ein Silberstück über die Eichenplatte hin, der andere aber schiebt es wieder zurück.
"Künftighin lasst friedliche Wanderer in Ruh", sagt er noch und verschwindet. Den übrigen Gästen ist er unbekannt, dem Wirt ist er unbekannt. Die drei Bauern könnten wohl mehr erzählen von ihm, aber sie sind lieber still.
Quelle+Literatur:
J.F.Perkonig, in Volk und Heimat, 22.Jg. Eisenstadt 1969, S 186.; Schattauer Friedrich, Burgenland, Sagen und Legenden, Waidhofen/Thaya 1980 S 154; Ein ähnlicher Inhalt, jedoch mit einem Korbflechter und seiner Frau als Gegenspieler und die Örtlichkeit auf die Straße nach Neu- siedl/See verlegt, wobei dies unrealistisch erscheint.
Erklärsage für die Geländeform - Türkenkriege - Geschichtliche Sage
DER TÜRKENHÜGEL
Als der türkische Heerbann auch das wehrhafte Donnerskirchen eingeschlossen hatte und tagelang vor der wehrhaften Ringmauer, den beiden Eckbasteien am unteren Ende der Wehrmauer, dem verriegelten und verrammelten Tor zwischen den beiden, dem dominierenden und wehrhaften Esterházy'schen Kastell an der oberen Ecke und dem demonstrativ beherrschenden und wehrhaften Kirchenhügel, standen und eine Öffnung erwarteten bzw. eine Eroberung und Erstürmung ins Auge fassten, um endlich an die reiche Beute zu gelangen, es befanden sich doch eine Reihe von reichen, über die Lande hinweg bekannte Weinbauern darin, das Esterházy'sche Kastell lockte über die Maßen, und die wohlgefüllten Weinkeller versprachen einige Tage und Nächte von sorgenlosen und überschäumenden Lebensgefühlen, geschah das Unfassbare. Der Anführer des türkischen Aufgebotes und Heerbanns, versuchte an der nordöstlichen Seite der Ringmauer, etwa auf halbem Wege zwischen Eckbastei und Kirchhofbefestigung einen Angriff und einen Einbruch vorzubereiten. Während er Befehle schreiend und Hektik verbreitend seine Leute an der vermeintlichen Schwachstelle versammelte, fiel ein Schuss. Laut hallte er durch die Weingärten, verteilte sich im Bereich der Wehrmauer, und als sich die Schwarzpulverwolke verzogen hatte, wurde erkennbar, dass der Donnerskirchner Verteidiger, sein Name ist unbekannt, den türkischen Anführer vom Pferde geschossen hatte. Die Türken gingen gleich dazu über, ihren Anführer standesgemäß zu bestatten. Am Orte seines Todes wurde er mit seinem Pferd bestattet, und jeder Angehörige seiner Streitmacht brachte eine Mütze, einen Hut, Helm oder Turban voll Erde zum Grabe. So wurde der mächtige Erdhügel aufgeschüttet und hat die Jahrhunderte überdauert.8
Literaturverzeichnis
Sagen aus Donnerskirchen
Gesammelt von VD. Rudolf Kleiner
DIE TÜRKENANNERL VON DONNERSKIRCHEN
Als in unserer Gegend die Türkengefahr drohte, bauten viele Gemeinden eine Mauer um das Dorf um die Bevölkerung vor den wilden Türken zu schützen. So auch Donnerskirchen, es war um 1630. Einmal soll sich Folgendes zugetragen haben.
Im Dorf wurde Alarm geschlagen, weil die Türken Richtung Donnerskirchen ritten. Die Männer in Donnerskirchen waren mit Sensen, Dreschflegeln, Mistgabeln und Hacken gegen den Ansturm der Türken gerüstet. Die Donnerskirchner Frauen flüchteten zur großen Kirche,die mit einer hohen Schutzmauer umgeben war. Als es dunkel wurde, erkletterten die Türken die Schutzmauer und konnten in das Dorf eindringen. An jener Stelle wohnte eine alte, kranke Mutter mit ihrer Tochter Anna. Die Türken stürmten in das Haus, und es kam zu einem Gefecht zwischen der Anna und den Türken. Dabei wurden einige Türken verletzt. Anna wurde getötet. Die Mutter schrie und holte Hilfe. Es kam neuerdings zwischen den herbei geeilten Männern und den Türken zu einem Kampf, bei dem einige Türken getötet wurden.
Am anderen Morgen wurde beraten und festgehalten, diese böse Menschen nicht im Dorffriedhof zu begraben, sondern außerhalb des Dorfes, was auch geschah.
Die Getöteten wurden auf dem Schindanger verscharrt. In der Nacht kam über Donnerskirchen ein fürchterliches Gewitter, und am anderen Morgen fand man die Toten frei am Berg an der Oberfläche. Man begrub sie abermals, und wieder lagen sie am nächsten Morgen frei. Man sagt: "Mutter Erde duldet solche böse Menschen nicht." Daraufhin beschloss man, mit den Türken hinaus auf den See zu fahren und sie ins Wasser zu werfen. In der Nacht tobte wieder ein heftiger Sturm und am anderen Morgen waren die Türken am Ufer von Donnerskirchen angeschwemmt. Der See spie sie ans Land, er wollte sie nicht haben.
So schuftete das ganze Dorf auf dem Hang zum Leithaberg und hob große Gruben aus. Dort warf man die Türken hinein und bedeckte die Gruben auch mit gewaltigen Steinen. Nun mussten sie wohl in ewiger Stille liegen.
Aber selbst diese große Last bog die gute Muttererde hoch und seit dieser Stunde hat Donnerskirchen Grabhügeln am Leithaberg. Die Donnerskirchner Türken-Annerl lebt aber bis heute in der Dorfbevölkerung weiter.
DAS NATTERKRÖNLEIN
Das Donnerskirchner Ehrenfeld ist oben ganz flach. Früher wurde es landwirtschaftlich bewirtschaftet. Auf den Wiesen fanden die Kinder wunderschöne Blumen. Ganz in der Nähe am Waldrand finden wir auch noch heute die Malzlacke. Bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges war die Malzlacke ein beliebter Spielplatz für die Kinder.
Die Malzlacke ist eine Mulde, in der sich im Frühjahr das Wasser von der Schneeschmelze und im Sommer das Regenwasser sammelt. Zum Baden ist die Lacke zu seicht, und es tummeln sich dort hauptsächlich Nattern, Kröten und Frösche. In der Nähe dieser Malzlacke soll sich Folgendes zugetragen haben.
Spielende Kinder sahen einmal eine Natter, die auf ihrem Kopf ein funkelndes Krönlein trug. Die Natter schlängelte sich durch das Gras, um sich in der Malzlacke zu baden. Bevor sie zum Wasser kam, streifte sie ihr Krönlein ab. Das Krönlein glitzerte in der Sonne wie pures Gold. Ein Mädchen war von dem Natterkrönlein so beeindruckt, dass es am nächsten Tag wieder zur Malzlacke ging. Tatsächlich konnte sie beobachten, wie dieselbe Natter wieder im Gras ihr Krönlein abstreifte und in der Malzlacke ein Bad nahm. Das Mädchen bekam so ein Verlangen nach dem goldenen Krönlein, dass es ein Tüchlein ausbreitete, das im Gras liegende Krönlein darin einwickelte und damit nach Hause eilte. Doch das Kind hatte mit dem gestohlenen Krönlein nicht viel Glück. Es schlief in dieser Nacht sehr schlecht, und einmal klopfte jemand ganz fest am Fenster ihrer Schlafkammer. Das Mädchen bekam große Angst und getraute sich nicht das Fenster zu öffnen. Als sie am nächsten Morgen aufwachte, lag die Natter tot vor dem Haustor. Nun bekam das Mädchen Gewissensbisse, dass es durch seine Habgier den Tod der Natter verschuldet hat und konnte ihres Lebens nicht mehr froh sein.
Literaturverzeichnis