Geschichte des Donnerskirchner Weinbaues
Stefan Leeb
Nicht nur die Urkunde vom Jahre 1285 weist auf das hohe Alter des Weinbaues im Donnerskirchner Gebiet hin, auch unsere Ried- und Weingartennamen werden schon früh erwähnt. Bereits 1389 kommen die Weingärten Giell, Haßelauter, Pfeffel in der Erbschaftsteilung des Jacob v. Thunerkürchen und des Kunz Mazer vor. 1570 zählt das Bergbuch der Herrschaft Eisenstadt folgende Rieden, damals "Huet" genannt, auf: Laimgrueb Huet Giell Huet, Pader Huet, Thaill Huet, Resler Huet, Winkler Huet, Kegler Huet, Goldperg Huet, Vogelhuet, Geding Huet, Schwipel Huet, Kirchperg Huet, Goldgrueb Hut.
Ebenfalls aus dem 16. Jhdt. sind die Benennungen der einzelnen Parzellen (in damaliger Schreibweise) belegt: Plankenststayner, Khrautsultz, Scharffenecker, Löscher, Ga- planer, Grassen, Sallamantl, Khürchsätzen, Schweineltern, Wierfler, Frischen, Lämpl, Paimhold, Hochhauer, Schneider, Altwein- gart, Lanngenthaill, Pader, Bogendorffer, Abraham, Goldgrueb bei der Salzgrueb, Jiding, Fleischhackhen, Khyanprein Hopfer (Happer), Ramerl, Ruernpeisser, Hanauer, Riefring, Perweingart, Ruhringl, Kering, Setz.
Mit Ausnahme der "Haussätzen" liegen die Weingärten an den Südosthängen des Leithagebirges zwischen Purbach und Donnerskirchen. Sie gehören nicht zum Lehen, sondern gelten als Überlandgrundstücke. Im 16. und 17. Jhdt. besitzen hier zahlreiche Niederösterreicher Weingärten: Bürger aus Bruck, Wiener Neustadt und Wien. Die Herrschaft Seebenstein liefert noch 1749 von dem 56 Pfund großen Weingarten 52 Eimer nach Seebenstein. Auch Au, Hof, Mannersdorf, Himberg, Unterwaltersdorf, bzw. ihre Kirchen als Besitzer, werden genannt. Die Richterrechnung von 1700 erwähnt den Empfang der Abgabe nach einem Baugut von 80 Eimern der Herrschaft "Scharff von Eckh" (Scharfeneck). Auch die Serviten von Loretto zahlen den Zehent nach 12 Eimer "geföxneten Paugut".
Nach der Gemeinderechnung vom Jahre 1714 besitzt die Gemeinde Donnerskirchen folgende Weingärten: Schwipel mit 20 Pfund, Kögler mit 12 Pfund, Rohrauer mit 10, Grassen mit 24, einen Gemeinsatz mit 14 Pfund. Bearbeitet werden die Gemeindeweingärten von den sog. "Weinzötln" und "Pergknecht".
Verzeichnete alte Arbeitsmethoden: Blattgruben (zur Verjüngung), Stecken ziehen, Schneiden, Fastenhauen, Jothauen, Aufrichten, Binden, Jäten.
Das älteste Flächenmaß waren 1 Viertel, 1 Achtel, 1 Sechzehntel Weingarten; 1 Viertel war etwa 43 ar. Ein späteres, auch heute noch ab und zu verwendetes Maß ist das Pfund (1 Pfund war ca. 288 m2). Hohlmaß war der Eimer (Emer) mit etwa 54 l (Preßburger Eimer), Schank maße: 1 Seidl = 3/8 l, 1 Pint =1,7 l.
Im 19. Jahrhundert vernichtete die Reblaus die Weingärten. Bei den Neuauspflanzungen auf amerikanischer Grundlage wurden weitere Ackerflächen zu Weingärten umgewandelt. Es verschwanden alte Sorten und Arbeitsmethoden. Breitere Reihen ermöglichten das Ackern mit dem Weingartenpflug, dadurch erübrigte sich das mühselige Steckenziehen, Fastenhauen und Jothauen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Lenz-Moser-Kultur eingeführt, durch Entwässerungen wurden auch einstige Wiesenflächen in Weingärten umgewandelt.
Mit der Zeit gab es in jedem Weinbau- betrieb einen Traktor, eine Sattelspritze und hydraulisch betriebene Zwischenräumgeräte. Durch die Mechanisierung konnte die Rebfläche zuerst auf 10 ha und bis zur Jahrtausendwende auf ca. 25 ha erweitert werden. Insgesamt betrug die Weingartenfläche Donnerskirchens 480 ha. In Bezug auf die Verarbeitung und die Lagerung großer Mengen spielte die Winzergenossenschaft St. Martinus in den 70er - 90er Jahre eine große Rolle. (Übernahme 1982 und 1983: je 3 Mill. kg Trauben, Fassungsraum 6,3 Mill. Liter)
Durch die Umstrukturierung der Weinwirtschaft übernahmen einige große Familienbetriebe (z.B. das Weinquartett) diese Funktion.
Die Qualität wurde in den letzten Jahren enorm gesteigert. Donnerskirchner Weißwein gilt als einer der besten der Welt.
Als Pionier gilt der Winzer Andreas Liegenfeld, der Präsident des Burgenländischen Weinbauverbandes - und seit 2011 - Agrarlandesrat des Burgenlandes ist.
Es gibt auch ein Donnerskirchner Heurigenlied.
Winzergenossenschaft ST. MARTINUS reg GmbH
Gerhard Schmidt
Diese wurde am 27.1.1939 als "Winzergenossenschaft Donnerskirchen" gegründet. Infolge der Kriegsereignisse kam es jedoch zu keiner Geschäftstätigkeit, und erst am 4.5.1954 fand die 1. Vollversammlung statt. 113 Winzer, alle aus Donnerskirchen, traten als Mitglieder bei. Der erste Lagerraum (19 Holzfässer, 837 hl) war in einem Pachtkeller der Gemeinde untergebracht, der aber schon 1956 käuflich erworben worden war. Zu dem kam 1964 auch der ge samte Gutshof mit allen Gebäuden dazu.
Ab 1955 wurde immer wieder der Lagerraum erweitert, weil auch das Einzugsgebiet auf Breitenbrunn, Purbach und Schützen am Gebirge ausgedehnt wurde und damit die Zahl der Mitglieder bzw. die abgelieferten Traubenmengen stiegen.
So wurden 1955 fünf Zisternen errichtet, 1967 kamen weitere 12 Zisternen (4.000 hl) hinzu.
In den Jahren 1971 bis 1978 wurden nur noch Edelstahltanks aufgestellt, der Lagerraum wurde auf 35.000 hl erweitert.
1982 war das Rekordjahr in der österreichischen Weingeschichte. Unsere Genossenschaft musste damals 3,7 Mio. kg Trauben übernehmen.
Daraufhin wurde 1983 der Tankraum um weitere 30.000 hl erweitert, weil auch in den nächsten beiden Jahren große Mengen folgten, sodass insgesamt 65.000 hl eingelagert werden konnten. Gemeinsam mit der Erweiterung des Lagerraumes wurde auch immer wieder die kellertechnische Ausstattung den Erfordernissen angepasst.
Mit 472 Mitgliedern und 1306 Geschäftsanteilen wurde 1984 der Höchststand an Eigentümern erreicht. Es begann dann eigentlich infolge des Weinskandals (1985) und den damit verbundenen wirtschaftlichen Turbulenzen in der ganzen Weinbranche die entgegengesetzte Entwicklung.
Der Vertrieb erfolgte in den ersten Aufbaujahren ausschließlich im Gebinde. Erst ab 1960 verkaufte auch der Burgenländische Winzerverband unsere Weine in Flaschen.
Ab den 70er-Jahren begann die eigene rege Exporttätigkeit mit Prädikatsweinen, besonders nach Deutschland.
1979 wurde ein Vertriebsvertrag für Flaschenweine mit der Firma Martini & Rossi für Österreich abgeschlossen. Somit wurde auch die Anzahl der Exportländer erweitert.
Für die Gründung einer Tochterfirma wurde die Weinbau- und Vertriebsgenossenschaft Martinsschlössl von St Martinus abgespalten.
Mit der Vertriebsfirma B&M sollte ab 1985 ein gemeinsamer Weg mit dem Winzerkeller Pöttelsdorf für einen lukrativeren Flaschenweinverkauf aufgebaut werden, doch die schwierige Lage am Weinmarkt und die schlechte Eigenkapitalausstattung der Eigentümer verhinderten ein langfristiges, erfolgreiches Auftreten.
Nach einem Führungswechsel bei den Funktionären der Winzergenossenschaft und einer Kündigungswelle bei den Mitgliedern (1988: 269 Mitglieder mit 668 Geschäftsanteilen) wurde eine Neuordnung des Vertriebes über die Weinkellerei Burgenland eingeleitet, was aber auch nicht die erwarteten Ergebnisse brachte. Daraufhin wurde die Marke "St. Martinus" wieder in das Eigentum der Winzergenossenschaft gebracht. Mit potentiellen Weinvertriebsfirmen wurden viele Gespräche über eine Zusammenarbeit geführt. Eine langfristige, positive Betriebsentwicklung konnte aber nicht erreicht werden, da die entscheidenden Fragen, wie Altlastensanierung, Stabilisierung der Traubenanlieferung und Abschluss lukrativer Weinabnahmeverträge, nicht gelöst werden konnten und die Strukturbereinigung im Weinbau rasant weiter lief.
Nachdem die gesamten 90er-Jahre hindurch der Bestand der Winzergenossenschaft nur durch Einbußen der Mitglieder aufrecht erhalten werden konnte, wurde 1998 noch einmal durch den Zukauf von 2,8 Mio. kg Trauben ein Versuch gestartet, um aus der Kostenfalle auszubrechen. Sinkende Weißweinpreise schmälerten den Erfolg dieser Aktion. 2002 gelang es, als letzte Alternative, zwei slowakische Investoren zu finden, die in den Betrieb einstiegen und einerseits die Mitgliederverbindlichkeiten beglichen und andererseits große Investitionen in die Errichtung von Abfülleinrichtungen für Wein und ein alkoholfreies Traubenerfrischungsgetränk tätigten. Zurzeit wird ein Vertrieb, vor allem in die Oststaaten, für beide Produkte aufgebaut.
Obmänner
Vorstand: | Aufsichtsrat: |
Karner Julius | Leeb Stefan (1984 - 1987) |
Schmidt Josef | Sommer Karl (1987 - 1998) |
Koller Alois | Berger Klaus (1999 - 2002) |
Bayer Josef (1984/85) | |
Theurer Franz (1986/87) | Stellvertreter: |
Ehrenreiter Stefan (1987 - 1993) | Ban Kolomann (1984 - 1987) |
Schmidt Gerhard (1994 bis heute) | Striok Johann (1987 - 1997) |
Berger Klaus (1997 -1999) | |
Stellvertreter: | Ritter Josef (1999 - 2002) |
Theurer Franz (1984 - 1986) | |
Neumeyer Johann (1986 - 1994) | |
Neumeyer Johann | |
Liegenfeld Andreas (1994 - 2002) |
Die Gründungsfunktionäre
Vorstand: | Aufsichtsrat: | ||
Obmann: | Karner Julius | Vorsitzender: | Kleiner Rudolf |
Stellvertreter: | Schmidt Josef | Stellvertreter: | Förstl Karl |
Koller Alois | Ban Kolomann | ||
Weißenbäck Rudolf | Kögler Franz | ||
Altmann Paul | Krenn Martin | ||
Neumayer Johann | Kritsch Martin | ||
Pfalz Franz | Sommer Johann | ||
Fasching Josef | Fasching Ferdinand | ||
Fuchs Josef | Reichhard Josef | ||
Fuhrmann Josef | |||
Berger Stefan | |||
Ritter Martin |
Der Sitz der Winzergenossenschaft
Ein Teil des Winzerkellers geht bis auf die Zeit der Romanik zurück. Die Besitzgeschichte können wir sehr gut verfolgen.
In der Mitte des 14. Jhdt. gehört der Rittersitz Johann von Dundeskürchen. Der Hof umfasst 1 1/2 Lehen und dazu die Mühle an der Wulkamündung.
Ritter Georg von Königsberg
Im 15. Jhd. besitzt Hans Samaranßky den Edelhof. Nach dessen Tod bemächtigt sich Ritter Georg von Königsdorf des Hofes. 1525 erwirbt der Schwechater Bürger Andre Silbenberger den Rittersitz. Der nächste Besitzer ist der Eisenstädter Bürgermeister Georg Günter. 1537 erwirbt den Hof von Ritter Hans Schärdinger der kaiserliche Hauptmann von Eisenstadt, Moritz von Fürst. Dann gelangt der Besitz an Sebaldus Pögl von Emerberg.
Freiherr von Leisser
1611 erwirbt den Hof Freiherr Christoph Leisser von Idolsberg und Kronseck. Er lässt den während der Bocskay-Rebellion 1605 bis auf die Grundmauern nieder gebrannten Edelhof in Renaissance-Manier neu erbauen und errichtet dort ein kryptoprotestantisches Zentrum. Die heutige "Weinkapelle" dürfte damals der lutherischen Bevölkerung als Bethaus gedient haben. Aus dieser Zeit stammt auch die Bezeichnung "Lutherwein". Doch davon etwas später. Unter Freiherr Christoph von Leisser erreicht die Wirtschaft den Umfang einer kleinen Herrschaft. Mehr als 20 Untertanen bearbeiten mittels Robot den 8 ha großen Weingartenbesitz, 120 Joch Äcker, 102 Tagwerk Wiesen und die große Seemühle.
1626 erwirkt der Freiherr für seine Eigenbauweine die Erlaubnis, seine Fässer mit dem Brandzeichen "L" zu signieren. Dadurch durfte er zollfrei nach Österreich, Polen und Russland exportieren.
1630 verleiht Ferdinand III. dieses Recht auch den "allzeit beständigen Unterthanen aus dem Markt Tondlskirchen für bewiesene Treue und als Entschädigung für vielfältige Kriegsungelegenheiten und an ihrem Vermögen ausgestandenen großen Schaden und Ruin".
Die Esterházys
erwerben 1653 den Herrschaftsbesitz der Freiherren von Leisser. Der Keller wird in der Folge als zentraler Lagerraum aller Esterhazyschen Guts- und Zehentweine ausgebaut. Sogar die Weine aus dem Schloss Esterhaza werden nach Donnerskirchen gebracht, weil sich die Weine "in den muffigen und feuchten Gewölben von Esterhaza" nicht richtig entwickeln können.
Der Lutherwein
Aus dieser Zeit stammt auch die Geschichte vom Lutherwein.
Fürst Paul Esterházy selbst hat diesem Wein ein bleibendes Denkmal gesetzt, als er 1687 befiehlt, nachstehende Inschrift in ein Fass zu schnitzen.
"Der Wein dieses Fasses wurde im Gebirge von Donnerskirchen im Jahre 1526 gelesen. Er gehörte der Familie Gruber; die dieser nachfolgenden Familie Laizer ließ ihn im Jahre 1575 in ein neues Fass füllen. Nachdem der Edelhof im Markt Donnerskirchen von dieser Familie 1653 gekauft worden war, wurde der Wein hierher in die Burg Forchtenstein geführt und schließlich im Jahre 1687 auf Befehl des Fürsten des Heiligen Römischen Reiches und Palatin des Königreichs Ungarn Paul Esterházy in dieses dritte Fass gefüllt".
Noch im Jahre 1852 kann dieser edle Saft auf Burg Forchtenstein bestaunt werden. Die Bezeichnung Lutherwein fußt sicherlich auf der Tatsache, dass sich die Donnerskirchner besonders hartnäckig zum Luthertum bekannten und erst unter der Androhung "katholisch gemacht werden konnten", dass sie Hof und Haus verlieren und nicht auf dem herrschaftlichen Gottesacker begraben würden, wenn sie weiterhin an ihrem Glauben festhielten.
Aus dem Robotprotokoll von 1789/90 geht hervor, dass im Herrschaftskeller bedeutende Mengen an Wermutwein erzeugt wurden. In Form von Zugrobot wurde der Wermutwein von den Bauern nach Wien, Ödenburg, Eisenstadt und Kittsee geführt.
Auch Branntwein wurde erzeugt und ausgeführt. 28 Fuhren Wein gingen im Jahre 1789/90 als "Robotfuhr" nach Wien ("mit Wein nach Wien, das laare Vaß zurück bey sehr schlimmen Weg").
Am 24. Juni 1843 brach in den 4 angebauten Bauernhäusern Feuer aus, ein Teil des hinteren Herrschaftsgebäudes wurde in Asche gelegt.
Während des 2. Weltkrieges waren im Keller und auf dem Dachboden Juden, die beim Bau des Ostwalles eingesetzt waren, auf menschenunwürdigste Weise gefangen gehalten.
Nach dem Krieg hat die Gemeinde Donnerskirchen einige Wohnungen des Winzerhofes vermietet, Teile des Gebäudes dienten als Schulklassen, aber auch als örtliches Kulturzentrum.
So wurden von Laienschauspielern aus Donnerskirchen die Operetten "Das Dreimäderlhaus", "Gräfin Mariza", "Die Csardasfürstin", "Das Weiße Rößl am Wolfgangsee" aufgeführt.
In den 50er Jahren wurde leider die untere Hälfte des Edelhofes von der Gemeinde Donnerskirchen an die Familien Ehrhardt Josef und Reiter Josef verkauft. Sie ließen den Renaissancebau abreißen und errichteten neue Wohnhäuser.
Den anschließenden Garten stellte die Gemeinde Donnerskirchen dem Gemeinde- und Kreisarzt Dr. Hans Heintz zur Verfügung, der sich dort ein Wohnhaus mit einer ärztlichen Ordination errichtete.
Höchste Auszeichnungen
1979 errang die Winzergenossenschaft mit einer 1976er Welschriesling Trockenbeerenauslese als erste und bisher einzige Winzergenossenschaft Österreichs bei der 25. Internationalen Weltweinmesse in Laibach den Titel des "World Champion". Danach wurde mit dem Slogan "St. Martinus" der Weinweltmeister" geworben.
Beim Internationalen Weinwettbewerb 1984 wurde anlässlich 100 Jahre Österr. Bundesweinbauverband eine Welschriesling Beerenauslese 1981 zum besten Wein Österreichs gekürt.
Zweimal, 1978 und 1981, erhielten unsere Weine bei der "Bgld. Weinprämierung" die meisten Goldmedaillen. St. Martinus wurde mit dem Titel "Landessieger Burgenland" ausgezeichnet.
Der "Lutherwein"
in der Schatzkammer von Burg und Festung Forchtenstein
Weinhistorische Sage
Wolfgang Meyer
Der ,,Lutherwein" aus dem Kastell Donnerskirchen
In der Schatzkammer der Festung, dem uneinnehmbaren Bollwerk und dem Schatzhaus der Familie Esterházy wurde seit Menschengedenken, seit uralter Zeit ein Fass Wein aufbewahrt, das, und die Eingeweihten trugen es unter dem Siegel der Verschwiegenheit und hinter vorgehaltener Hand von Generation zu Generation weiter, den ältesten Wein des Königreiches Ungarn enthalten soll.
Als Paul Esterházy, der nachmalige Fürst, seine Studien am Jesuitenkollegium in Tyrnau absolvierte und dabei zu einem ganz besonderen Glaubensverständnis und zu einer ungewöhnlich starken Beziehung zur Gottesmutter Maria fand, hatte er einen seltsamen Traum.
Er fand sich selber inmitten der Herrschaften Eisenstadt und Forchtenstein, mitten in einer zerstörten Landschaft, die Ortschaften verbrannt und geplündert, die Bewohner zerlumpt und verarmt, von Krankheiten gezeichnet und von Hunger geplagt. Doch unverkennbar, wie aufgeprägt, erschienen ihm die Volkszugehörigkeiten, Gesinnungen und religiösen Bekenntnisse den Menschen zugeordnet, so, als könnte er in die Herzen seiner Untertanen blicken. Er schaute in die Runde der hilfesuchenden Ungarn, Kroaten, Zigeuner, Juden, Türken und Deutschen, erblickte in die Gesichter und Herzen der Evangelischen, der Muselmanen, der Juden und Katholiken, er erkannte seine Bauern, Knechte, Hofstättler, Bediensteten und Soldaten, und neben den Figuren aus Fleisch und Blut erschaute er auch die Heerschar von Verstorbenen. Übermächtig stürmte der Eindruck dieser unüberschaubaren Personenzahl auf ihn ein, versuchte ihn fast zu erdrücken, zu ersticken.
Im Moment der größten seelischen Bedrängnis wurde er an der Hand genommen. Er gewann Abstand und Raum, und eine Stimme sagte: ,,Alle diese Kinder, Frauen und Männer werden dir vertrauen, werden dir gehorchen und werden dir dienen. Sie erwarten aber auch, dass du ihre Leistung achtest, dass du ihre Qualitäten schätzt und dass du ihre Eigenheiten tolerierst und ihre inneren Überzeugungen berücksichtigst. Achte und schätze den Gegner, vergiss das Trennende und reiche dem Gegenüber die Hand. Beachte nicht die Rangunterschiede, sondern bedenke, dass auf dem Boden der Tatsachen, dass auf der Ebene der Wirklichkeiten alle gleich groß sind, sowohl psychisch als auch körperlich. Du wirst mit all diesen Menschen durch Zeiten unsäglichen Leidens gehen, du wirst Hochzeiten der Freude und des Vergnügens erleben, du wirst viele Persönlichkeiten treffen und in deinen Häusern empfangen und bewirten, aber vergiss dabei eines nicht: Die Gottesmutter wird dich leiten und in deinen Ortschaften, Feldern, Wäldern und Wiesen ihre milde Hand walten lassen!"
Das Traumgesicht verflog, der Prinz, jung, dem geistlichen Beruf nicht abgeneigt, aller Sorgen entledigt, führte doch sein Bruder Ladislaus als Ältester die Geschäfte und war Familienoberhaupt, sollte dieses visionäre Bild schnell vergessen.
Jäh wurde es hervorgeholt, drängte in den Vordergrund des Bewußtseins, als am 25. August 1652 in der Schlacht bei Veszekény Graf Ladislaus Esterházy mit drei weiteren Familienmitgliedern den Heldentod fand. Bevor Ladislaus aus Schintau aufgebrochen war, hatte er noch seine Brüder Paul und Franz zurück nach Tyrnau auf die Schule geschickt, um dann mit anderen Burghauptleuten des Abschnittes unter dem Kommando von Graf Adam Forgách, dem Oberkapitän von Neuhäusel, den beutehungrigen Türken die Gefangenen abzujagen. ,,Achte den Gegner, vergiss das Trennende und reiche dem Gegenüber die Hand" - aus dem Traumgesicht wurde unmittelbar Wirklichkeit, als die Türken in einer ritterlichen Geste die sterblichen Hüllen der 4 Esterházys in militärischen Ehren und ungeplündert den christlichen Truppen und dem nunmehrigen Familienoberhaupt, dem noch nicht 17jährigen Paul, überbrachten und übergaben. Welche Rolle spielte hier die ehemalige Freundschaft und Zuneigung zwischen Ladislaus und dem Hussein? Nach dem Abschluss der Trauerfeierlichkeiten gewann der Alltag die mächtige Oberhand und Paul stand mitten in übergroßen Anforderungen. Er war nun mit einem Schlag vom Klosterschüler zum Familienoberhaupt und Besitzer eines ausgedehnten Familienimperiums geworden. Ein schneller Überblick über die Gegebenheiten und ein Einblick in die anstehenden Aufgabenbereiche tat Not.
Mitten in diesen Bemühungen, eine Übersicht über seine Besitzungen zu bekommen, als er gerade eine Reihe von Dörfern und Meierhöfen zwischen dem Leithagebirge und dem See besuchte, stattete er auch dem Leisserhof in Donnerskirchen einen Besuch ab. Dieser war erst vor wenigen Wochen käuflich erworben worden. Das großangelegte Anwesen war in den vielen Kämpfen und besitzrechtlichen Auseinandersetzungen beinahe zur Ruine geworden, die Dächer waren schadhaft und die Stockwerke, deren Decken kostruktionen aus Dippelbäumen (= Holzbalken) bestanden hatten, waren durch Feuchtigkeit morsch geworden, nur die Gewölbe waren noch als solche erhalten, aber mit Schutt überlagert.
Graf Paul, wissensdurstig, dem Historischen und dem Vergangenen mit ehrfürchtiger Scheu aufgeschlossen, durchstöberte die Gebäude und fand alsbald die Kellertreppe zu dem sagenhaften und in der Überlieferung schon lange bekannten Weinkeller. Mit Fackeln ausgestattet, drang Paul in den Keller ein und erblickte eine lange Reihe von Fässern. Magisch angezogen wurde er von einem, einfach aussehenden, aber in seiner Schlichtheit anziehenden und Aufmerksamkeit erheischenden Fass in der Mitte des Kellergewölbes. Graf Paul drehte den Hahn, und honiggelber Wein floss heraus, von einer Süße, Lieblichkeit und Geschmacksintensität, wie er es noch niemals zuvor gekostet hatte und die ihn sofort in seinen Bann zog.
Als er weiter herumstöberte, fand er das alte Kellerbuch und in diesem die Auflistung der Fässer und Weine. Während in der Vielzahl der Gebinde nur mehr ungenießbare Qualitäten vorhanden waren, die offensichtlich nicht für eine lange Lagerung bestimmt waren, gab es einige, die einer königlichen Tafel würdig waren. Unter den Auflistungen fand er nun den Hinweis auf das ihm so wertvolle, interessante und augenfällige Fass.
,,Im Jahre des Herrn 1526 wurde dieses Fass mit Wein aus Furminttrauben gefüllt. Die Weinlese in diesem Jahre war besonders ausgiebig und das Wetter bis in den Wintermonat trocken und sonnig. Es war ein seit Menschengedenken besonders vortreffliches Jahr. Es ist aber auch das Jahr, in dem König Ludwig in Mohács den Tod fand und halb Ungarn den Türken zum Opfer fiel. Es ist aber auch das Jahr, in dem Martin Luther seine Ordnung für den Gottesdienst (Deutsche Messe) erarbeitet hat".
Graf Paul ließ dieses Fass ob der Qualität des Inhaltes auf die Festung Forchtenstein bringen und stellte es hier in seiner Schatzkammer auf. Ein von seiner Hand geschriebener Zettel kenn zeichnete bis in die Zwischenkriegszeit dieses Fass, in dem die Wertschätzung gegenüber den Früchten der Natur, geschenkt von der Gnade Gottes zum Ausdruck kommt und darüber hinaus die Verneigung vor der Leistung der Altvordern und der Achtung ihrer Gesinnung und religiösen Einstellung.
Quelle: Ferdinand Botgorschek, Forchtenstein (Fraknó), Historisch-topographische Beschreibung, Wiener Neustadt 1852, S175
Auf dem Faß brachte Paul die eigenhändige Beschriftung an:
"Huius vasis Vinum Promontorii / Feieregyha collectum est in Anno MDXXVI fuit vero familiae in novum vas infudi / curavit Anno MDLXXXV deinde ab / eadem familia empta curia in eodem / oppi do Feieregyhaz sita in Anno MDCLIII / huc ad arcem Frakno deportatum est 7 ac tandem in hoc tertium vas infusum / est iussu cels. Sac. Rom. Imp. Principis Pauli / Estoras RHung. Palatini Anno MDCLXXXVII"
"Der Wein dieses Fasses wurde im Gebirge von Donnerskirchen im Jahre 1526 gelesen. Er gehörte der Familie Rueber; die dieser nachfolgende Familie Laizer ließ ihn im Jahre 1585 in ein neues Fass füllen. Nachdem der Edelhof im Markt Donnerskirchen von der Familie 1653 gekauft worden war, wurde der Wein hieher in die Burg Forchtenstein geführt und schließlich im Jahre 1687 auf Befehl des Fürsten des Heiligen Römischen Reiches und Palatin des Königreichs Ungarn Paul Esterházy in dieses dritte Fass gefüllt".